Marxist? Brechtist!

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Vorab zu meiner Person: Ich bin berechtigt, den Titel KFZ-Schlosser zu führen. So steht es in meinem Facharbeiterbrief. Plagiatsvorwürfe sind mir nicht bekannt. Auch als Rentner läuft bei mir „begreifen“ eher über die Hände. Im größten deutschen Hüttenwerk bekam ich den Spottnamen „Hochofenprediger“ wegen vieler Auftritte auf Belegschaftsversammlungen. Da kamen doch immer ein paar Tausend in die Rhein-Ruhr-Halle. Neben dem Spott war es auch Anerkennung: „Du redest keinem nach dem Mund!“, „Du regst zum Denken an!“. Spätestens seit dieser Zeit werde ich gefragt: „Bist Du Marxist?“ Das verneine ich. Nicht aus Angst, in eine Ecke gestellt zu werden – in der Ecke steh ich und will ich stehen – sondern:

  •  Ich habe Menschen kennengelernt, die mehr Marx und Engels gelesen haben als ich. Leider sind darunter einige, bei denen der Marxismus eher zur Verwirrung als zur Klarheit geführt hat. Wenn sie sich auf Marx berufen, will ich nicht folgen.
     
  •  Marx sagt sinngemäß: Bisher haben die Philosophen die Welt interpretiert, es kommt aber darauf an, sie zu verändern. So sehe ich das auch. Aber es gibt vermutlich fast so viele Interpretationen beispielsweise von „Das Kapital“ wie von der Bibel. Wie soll ich das begreifen?
     
  •  Im Namen des Marxismus haben sich Menschen zu Handlungen aufgeschwungen – besser abgeschwungen –, die ihre Herrschaft rechtfertigen sollten und dabei aus den Augen verloren, dass es um die Abschaffung der Herrschaft des Menschen über den Menschen geht. Dabei will ich sicher nicht vergessen, dass es ihrerseits anfangs Versuche waren, auf Angriffe, auf weißen Terror eine Antwort zu finden. Offensichtlich ohne den gewünschten Erfolg, zumindest bis jetzt.

Dann kommt Brecht und lässt in „die Mutter“ sagen: „Der Kommunismus ist das Einfache, das schwer zu machen ist.“ Er sagt: „Stalin, der verdiente Mörder des Volkes“. Er sagt: „Die Kapitalisten wollen keinen Krieg, sie müssen ihn wollen“. Aktualisiert könnte das heißen: Die Kapitalisten wollen Welt/Umwelt nicht zerstören, sie müssen es wollen. In den „Tagen der Kommune“ heißt es: „Es sind nur Fensterscheiben, die uns von dem guten Brote trennen, das uns fehlt“. Im „Manifest“ höre ich auf den Schlusssatz „Wir haben nichts zu verlieren außer unseren Ketten, aber eine Welt zu gewinnen“ oft – aber es sind goldene Ketten. Mal davon abgesehen, dass die noch schwerer wären, sind es eben nur „Fensterscheiben“ vor den verlogenen Auslagen des Konsumterrors, die uns von dem Leben trennen, in dem unser Produzieren davon gelenkt wird, was tatsächlich gebraucht wird, statt vom Aufhäufen von sinnlosen Geldbergen. Oder Brecht im „kaukasischen Kreidekreis“, wo sich die wahre Liebe zum Kind im Loslassen vor dem Zerreißen zeigt und der bisher korrupte Richter das Recht vom Kopf auf die Füße stellt.

Brecht ist parteilich, aber kein Parteigänger. Sicher ist er kein unbefleckter, kein reiner Mensch. Er ist dialektischer Materialist. Vermutlich hätte er zu meinem „Brechtismus“ ein gebrochenes Verhältnis.

Dann lese ich die „Kinderhymne“ von 1949 und frage mich, wie Deutschland wohl aussähe, wenn das zuerst die Hymne der DDR und dann eines friedlich, nicht neokolonial vereinigten Deutschland geworden wäre: „Daß ein gutes Deutschland blühe wie ein andres gutes Land“. Und die Schlussstrophe: „Und weil wir dies Land verbessern, lieben und beschirmen wir´s. Und das liebste mag´s uns scheinen, so wie andern Völkern ihrs.“ Was für eine Antwort auf die Gaulandhöckes in der Sprache deutscher Kultur. Dann komme ich wehmütig ins Schwärmen. Brechtist.

Paul Bender
NaturFreunde Berlin